In 15 von 28 Mitgliedsstaaten der EU dürfen Nicht-EU-Bürger*innen bei Kommunalwahlen ihre Stimme abgeben. Deutschland gehört zu den anderen 13 Mitgliedsstaaten, die dieses Kommunalwahlrecht nicht erlauben. Warum gibt es bisher in Deutschland kein solches Recht für Nicht-EU-Bürger*innen?
Eine Kommunalwahl ist die Wahl für eine Stadt, eine Gemeinde, einen Kreis oder einen Bezirk eines Stadtstaats. In Bezug auf den Stadtstaat Berlin ist die Kommunalwahl die Wahl der 12 Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Hier werden Politiker*innen in den Bezirken, z.B. in Charlottenburg-Wilmersdorf oder Lichtenberg, alle fünf Jahre gewählt.
Warum gibt es in Deutschland bisher kein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Bürger*innen?
Schon in den 70er und 80er Jahren warben verschiedene Initiativen für ein Kommunalwahlrecht für Zugewanderte, die dauerhaft in Deutschland leben. Die Argumente dafür waren unter anderem:
Alle Mitglieder einer Gemeinschaft, die regelmäßig Steuern zahlen, sollen mitentscheiden können, wie öffentliche Gelder ausgegeben werden.
Alle Einwohner*innen eines Landes sollen gleichbehandelt werden. Dazu gehören auch die gleichen Teilhaberechte.
Die politischen Parteien erwähnten das Thema ebenfalls. Während die Grünen und die SPD für das Kommunalwahlrecht sprachen, lehnte die CDU dies ab. Das Hauptargument dagegen war, dass das Wahlrecht in Widerspruch zu der Verfassung stehen würde. Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil 1990 dieses Argument bestätigt. In der Begründung hieß es, dass die Staatsgewalt vom deutschen Volk ausgehe, also von deutschen Staatsangehörigen. Die Regierung solle die Einbürgerung vereinfachen, anstatt Zugewanderten das Kommunalwahlrecht zuzusprechen [1]. Ein Wahlrecht für Zugewanderte kann somit nur durch eine Grundgesetzänderung eingeführt werden. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit in Bundesrat und Bundestag nötig. Seit dem Urteil des Verfassungsgerichts kam die Debatte zum Erliegen.
Jedoch hat die Einführung des Kommunalwahlrechts für EU-Bürger*innen (1992) widerlegt, dass die Staatsgewalt von deutschen Staatsangehörigen ausgeht. Der Ausschluss der Nicht-EU-Bürger*innen führt zu einer Ungleichbehandlung: Es ist schwer zu verstehen, wenn z.B. ein Berliner mit einem koreanischen Pass, der seit 20 Jahren hier lebt, nicht wählen darf, während sein Nachbar mit italienischer Staatszugehörigkeit, der erst vor 4 Monaten zugezogen ist, seine Stimme für die Kommunalwahl abgeben bzw. selbst kandidieren darf [2].
Wie viele Migrant*innen gibt es in Berlin, die nicht wählen dürfen?
Neben einheimischen Berliner*innen sind auch Migrant*innen ein fester Bestandsteil der Stadt. Im Jahr 2019 lag der Anteil der erwachsenen Migrant*innen, die aus nicht EU-Ländern kommen und keinen deutschen Pass haben, bei ca. 13,5% (428.132 Personen)5. Dies bedeutet also, dass 13,5% der Einwohner*innen in den 12 Berliner Bezirken nicht wählen dürfen. Ihre politischen Teilhabemöglichkeiten sind bisher hauptsächlich auf das Engagement in Vereinen und Verbänden beschränkt. (Eine Ausnahme ist das Wahlrecht für ältere Menschen mit Migrationsgeschichte bei Wahlen zu einer bezirklichen Seniorenvertretung) [3].
In Bezug auf ältere Berliner Einwohner*innen aus Ost-, Süd- und Südostasien liegt der Anteil von Menschen mit einem deutschen Pass bei 42% (3.904 zu insgesamt 9.391 Personen). Abbildung 1 gibt uns einen Überblick über die Anzahl der Berliner*innen mit ost-, süd- und südostasiatischen Wurzeln in den jeweiligen Berliner Bezirken.
Abbildung 1
Diese Daten zeigen auch, dass die Mehrheit dieser Gruppe (58% bzw. 5.487 Personen) keinen deutschen Pass hat und somit bei der Kommunalwahl ihre Stimme nicht abgeben darf.
Kurz: 15 von 28 EU-Mitgliedsstaaten geben ihren Nicht-EU-Bürger*innen das Kommunalwahlrecht. In Deutschland dürfen EU-Bürger*innen an Kommunalwahlen teilnehmen, andere ausländische Gruppen jedoch nicht. Hierbei sei die Frage erlaubt, ob dieser Zustand mit dem Grundsatz, dass alle vor dem Gesetz gleich seien, zu vereinbaren sind!
[Ihre Meinung interessiert uns sehr! Außerdem veröffentlicht GePGeMi gerne weitere statistische Informationen nach ihren Interessen! Für Kommentare nutzen Sie bitte die untenstehende Kommentar-Funktion!]
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